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Für eine Liebe

Die Entdeckung der Liebesbeziehungen 30 Als Beispiel dafür, wie persönliche Enttäuschung über eine (angebliche) Liebesaffäre des Ehe- manns durch völkisches Bewusstsein und straf- rechtliche Verfolgungsmöglichkeiten aufgefangen und rassistisch kanalisiert wurde, soll das Verfah- ren gegen Frau Anna B. aus Gartow detailliert geschildert werden (39): 5.6.44: Frau Therese Schulze aus Gartow erstattete beim örtlichen Gendarmerieposten Schmidt eine An- zeige gegen Frau Anna B., ebenfalls aus Gartow. Sie erklärte, dass der russische Kriegsgefangene Constantin K. vom Kriegsgefangenen- Komman- do Gartow, der bei der Firma Werth und Sohn (Holzpflasterwerk/Baugeschäft) arbeite, ihr erzählt habe, dass ihr Ehemann ein Liebesverhältnis mit Frau Anna B. unterhalte und er, der russische Kriegsgefangene, ebenfalls. Diese falschen Angaben machte der Kriegsge- fangene augenscheinlich deshalb, weil er sich brüskiert fühlte. Sein heftiges Werben um die Liebesgunst bei Anna B. wurde nämlich von ihr nicht erwidert. Frau Therese Sch. meldete die angeblichen Beziehungen der Anna B. wohl aus Enttäuschung über die – angebliche - Untreue ihres Ehemanns. 6.6.44: Vernehmung von Anna B. vom Gendarmeriepos- ten: Anna B. stritt eine Liebesbeziehung vehe- ment ab und räumte lediglich ein, für Constantin K. Wäsche gewaschen und ausgebessert zu haben im Gegenzug zu seiner Hilfe (Holz hacken), die er mit Genehmigung des Kriegsgefangenen- Kom- mandoleiters geleistet habe. Sie sei Alleinstehend und auf solche Hilfe angewiesen. 7.6.44: Verhör des Kriegsgefangenen Constantin K. im Kriegsgefangenenlager. Er bestätigt die Angaben der Frau Therese Sch.. Nochmalige Vernehmung durch den Führer der 1. Kompanie des Landes- schützen- Bataillons 739 in Dannenberg 8.6.44: Der Dannenberger Landrat meldet den „Vor- gang“ der Gestapo in Lüneburg. 8.6.44: Brief von Frau Therese Sch. an Gestapo Lüne- burg (Einschreiben): „Da ich am 5. Juni meine Anzeige bei Wachtmeister Schmidt in Gartow gemacht (habe) muss ich mich wundern, dass diese Frau B., wohnhaft in Gartow, noch nicht in Haft genommen ist. Der kriegsgefangene Russe hat mir gestanden, dass er mit dieser Frau hure. Auch hatte sie noch ein Liebesverhältnis mit meinem Mann... Ich bin in anderen Umständen und sie hat meine 20-jährige glückliche Ehe un- glücklich gemacht.“ 14.6.44: Verhör der Frau Anna B. durch den Lüneburger Gestapo- Mann Kleinow. Anna B. wiederholt ihre Aussage vom 6.6., aber Kleinow protokolliert: „Ihre Angaben sind nicht als glaubwürdig anzuse- hen. Vielmehr muss angenommen werden, dass sie tatsächlich mit K. geschlechtlich verkehrt hat.“ 27.6.44: Oberstaatsanwalt Kliesch setzt die Anklageschrift gegen Anna B. auf („verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen in einem schweren Falle“) und schreibt, die Annahme der Gestapo nun als Tat- sache formulierend: „Es kam auch mehrfach zum Geschlechtsverkehr.“ 18.7.44: In einem Schreiben der Gestapo an den Ober- staatsanwalt teilt diese mit, dass sich der Kriegs- gefangene Constantin K. im Konzentrationslager Neuengamme befinde. 10.8.44: Konzentrationslager Neuengamme teilt dem Gericht mit, dass der Vorladung des kriegsgefan- genen Constantin K. zunächst nicht entsprochen werden könne, da er sich auf einem Außenkom- mando (Hannover-Miesburg) befinde. 28.8.1944: Kommissarische Vernehmung des Constantin K. durch Amtsgerichtsrat Dr. Emmermann, Lüneburg. 9.9.44: Brief von Therese Sch. an das Gericht: „Ich möchte fragen, ob ... Anna.B. einen Rechtsanwalt haben darf ... Den Kummer mit meinem Mann. Alle Tage erwarte ich das Kleine und jetzt mein Sohn gefallen ... Also da kann man doch kopflos werden.“ 31.1.1945: Landgerichtsprozess in Lüneburg gegen Anna B.. Aus dem Urteil: „Die Angeklagte hat einem sowje- tischen Kriegsgefangenen für geleistete Arbeiten Essen gegeben und ihm Wäsche gewaschen und geflickt. Sie wird deshalb wegen verbotenen Umgangs mit KG zu einer Gefängnisstrafe von 8 Monaten verurteilt ... Die Kosten des Verfahrens hat die Angeklagte zu tragen.“

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