Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Für eine Liebe

Verfolgung nach § 4 der Wehrkraft-SchutzVO 13 Wegen des genannten Hauptzwecks der Straf- bestimmung wurden lediglich drei der bekannten 168 vom Sondergericht Hannover verurteilten Frauen bestraft. In Lüneburg (weder vor dem Sonder-, noch vor dem Landgericht) gab es nicht eine Verurteilung wegen dieses Haupt- zwecks. Bei dem Nebenzweck, der reichsweit 97 % der Aburteilungen ausmachte, der Ahn- dung der Ehr- und Würdelosigkeit, ging es weni- ger um die Ehre und Würde der Frau als viel- mehr um die verletzte Ehre des Mannes an sich. Diesen Männerinteressen wurde mit dem Spio- nage- bzw. Fluchtgrund der Mantel übergeord- neter nationaler und Sicherheitsinteressen um- gehängt. Lässt sich unter dem Stichwort des „verbotenen Umgangs mit Kriegsgefange- nen“ nämlich eine Vielzahl möglicher Kontakte und Verhaltensformen vorstellen, so dominierte in der Sondergerichts- und Landgerichtspraxis doch nur eine Form, die als besonders verwerf- lich angesehen wurde: Der Geschlechtsverkehr zwischen deutschen Frauen und Kriegsgefan- genen wurde zum Hauptinhalt der Anklage und Aburteilungen nach dem Paragraphen 4 der Wehrkraft-SchutzVO. In den meisten Prozessen trat das eigentlich zur Verhandlung stehende Delikt, der Umgang mit Kriegsgefangenen, zurück hinter der Verurtei- lung eines „unmoralischen Lebenswandels der Frauen“, der bei unverheirateten Frauen in Nor- malzeiten zwar gesellschaftlich anrüchig, aber strafrechtlich nicht zu belangen gewesen wäre. Bei verheirateten Frauen spielte im Übrigen der Strafparagraph des Ehebruchs keine Rolle. Die- ser erlangte anscheinend seine Wirksamkeit lediglich bei Geliebten deutscher Staatsangehö- rigkeit. Dennoch wurde die Institution der „Ver- zeihung des Ehemanns“ in der Spruch- und Haftpraxis angewandt, ein Gnadenerweis, der als Verminderung der Haftstrafe um 3 bis 15 Monate der Gesamtstrafe ausgelegt werden konnte. Eine Institution mit ambivalenter Wir- kung: Einerseits verkürzte sich die Haft der ver- urteilten Frauen, andererseits stand es lediglich dem Ehemann zu, eine solche Verzeihung aus- zusprechen und festigte und vertiefte somit die Machtposition der männlich dominierten Justiz, der Ehemänner sowie die Ohnmacht und Ab- hängigkeit der Frauen. Die Richter übernahmen bei diesen Prozessen die Rolle von Sittenwächtern und Bewahrern des NS- Frauenbildes. Der NS-Staat, bzw. die Kriegsumstände mit speziellen, gegen die Hal- tung und Einstellung von Personen gerichteten Gesetzen gab ihnen die Gelegenheit, eine vor- handene repressive Sexualmoral gegen die deutschen Frauen strafrechtlich durchzusetzen bzw. abweichendes Verhalten drastisch zu ahn- den. Ausdruck dieser Einstellung der Lünebur- ger Richter sind etwa Urteile, in denen es zur Begründung eines schärferen Strafmaßes heißt:„... hat es ihr zunehmend Vergnügen berei- tet ...“, „... hatte sie zunehmend Gefallen am Geschlechtsverkehr...“. Dass die geschilderten freundschaftlichen Be- ziehungen und schließlich erotischen Kontakte sich zwischen deutschen Frauen und Kriegsge- fangenen besonders auf dem Lande entwickeln konnten (für die Stadt Lüneburg selbst ist kein Fall überliefert), ist sowohl eine Folge der land- wirtschaftlichen Arbeitsweise und findet auch darin seine Begründung, dass Kriegsgefangene, für die ein Einsatzverbot in der Kriegsproduktion bestand (welches allerdings kaum eingehalten wurde), zum großen Teil als landwirtschaftliche Gehilfen tätig waren. Die durch Einberufung deutscher landwirtschaftlicher Arbeitskräfte er- folgte Abwanderung wurde vollständig durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ersetzt, was dazu führte, dass in der Landwirtschaft je- der zweite Beschäftigte ein Ausländer war und 1944 in diesem Bereich fast nur ausländische Arbeitskräfte und deutsche Frauen tätigt waren. Die ländliche „Heimatfront“ war fest in Frauen- hand und brachte ihnen somit auch ein erweiter- tes Rollenverständnis, waren sie es doch nun überwiegend, die für die Aufrechterhaltung der Produktion auf diesem Sektor verantwortlich waren. Gleichwohl wurde ihnen auferlegt, auf sexuellem Gebiet enthaltsam zu leben, wobei besonders verheirateten Frauen immer wieder vorgehalten wurde, dass dadurch ihre an der Front stehenden Männer unbelastet „in den Kampf“ gehen können. Dass viele Ehefrauen aber für sich eine Gleichberechtigung einforder- ten und eine Doppelmoral kritisierten, beschreibt z. B. ein interner Bericht an den Reichsschatz- meister der NSDAP v. 13.4.44: „Das Gefühl, dass die Männer in den Garnisonen, besetzten Gebieten usw. die Gelegenheit zum „Fremdgehen“ nicht ungenutzt lassen würden, führe bei so manchen Frauen zu der Auffassung, dass sie die „gleichen Rechte hätten und sich amüsieren dürf- ten“.(12) Diese Auffassung konnten die Richter und Staatsanwälte, die sich auch als Hüter der NS- Moral verstanden, keineswegs teilen. Als Inkar- nation des „gesunden Volksempfindens“ stellten sie dessen „gröbliche Verletzung“ fest.

Seitenübersicht